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„Vitamin C“ mit Lennart-Knud Liefeith, Boehmert & Boehmert

Gewerblicher Rechtsschutz – Element der Unternehmensstrategie

Unternehmen haben grundsätzlich den wirtschaftlichen Nutzen eines Patentschutzes gegen die Kosten abzuwägen, die für eine Vielzahl von Ländern sehr hoch ausfallen können.

Bevor daher eine Patentanmeldung ausgearbeitet und eingereicht wird, sollte sich der Anmelder bewusst sein, für welche Länder ein Produkt überhaupt relevant ist, welches Marktpotenzial ein Produkt hat und welche Zeitskalen relevant sind.

Wichtig ist, erst das Patent einzureichen und dann mit einer Erfindung in die Öffentlichkeit zu gehen.

Gewerblichen Rechtsschutz früh bedenken

Es ist in jedem Fall sinnvoll, bei Erfindungen sehr früh einen Patentanwalt oder eine Patentanwältin zu Rate zu ziehen, um sich einen frühen Anmeldetag und einen größtmöglichen Schutz für die Erfindung zu sichern. Eine gründliche Recherche in den einschlägigen Datenbanken vor Markteintritt hilft, die eigene Marktposition zu klären und Schutzrechte anderer nicht zu verletzen („Freedom to Operate“).
 
Patentanwälte helfen auch, nationale und internationale Patentstrategien auszuarbeiten, um umfassende und geographisch sinnvolle Schutzpositionen zu erlangen. Sie verfassen Patentanmeldungen für Einzelunternehmer, Start-Ups, mittelständische und große Unternehmen. Sie begleiten die Erteilungsverfahren vor den Patentämtern und nachgelagerte Verfahren vor den Patentämtern und den nationalen Gerichten – immer mit dem Ziel, den besten Schutz für die Erfindung des Mandanten zu erwirken und die Interessen des Mandanten durchzusetzen.
 

Conny Gärtner spricht im Video mit Dr. Lennart-Knud Liefeith über gewerblichen Rechtsschutz – ein schwieriges Thema. Hier finden Sie die wichtigsten Aspekte zusammengefasst. Wer Fragen dazu hat oder eine konkrete Strategie für das eigene Unternehmen plant, wendet sich am besten an einen Patentanwalt.

Der Experte

Dr. Lennart-Knud Liefeith studierte klassische Physik mit den Schwerpunkten Festkörperphysik und Laserphysik an der Universität Hamburg. Jetzt ist er Deutscher Patentanwalt und Vertreter vor dem Europäischen Patentamt bei der renommierten Kanzlei Boehmert & Boehmert, eine Kanzlei für alle Formen des gewerblichen Rechtsschutzes – insbesondere Markenrecht, Urheberrecht, Patentrecht – mit Büros in München, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Berlin und Bremen sowie in Shanghai und Paris.

Er ist spezialisiert in den Bereichen der Physik, Halbleitertechnik, Elektronik Maschinenbau sowie auf computerimplementierte Erfindungen.
 

Warum machen Patente Sinn?

Ein Patent räumt seinem Inhaber ein Verbietungsrecht gegen jeden Dritten ein, den geschützten Gegenstand oder das geschützte Verfahren für gewerbliche Zwecke zu nutzen, herzustellen, in den Verkehr zur bringen oder anzubieten.

Bei Zuwiderhandlungen kann der Inhaber diesen Anspruch gerichtlich durchsetzen und Wettbewerber so dazu zwingen, entsprechende Handlungen zu unterlassen, Produkte gegebenenfalls zurückzurufen oder zu vernichten und Schadensersatz für die begangenen Handlungen zu leisten.

 
Der wirtschaftliche Nutzen von Patenten geht in unterschiedliche Richtungen:
  • Ein Patentschutz von Erfindungen sichert die eigene Marktposition. Unternehmer können aus einem Patent aktiv gegen Wettbewerber vorgehen, die mit Nachahmerprodukten auf den Markt kommen.
  • Patente werden von Wettbewerbern beachtet. Sie passen Ihre Produkte entsprechend an oder bringen sie gar nicht erst auf den Markt, da eine Patentverletzung sehr teuer werden kann. Besonders kostspielig wird es, wenn spät im Entwicklungsprozess eine Entwicklung abgebrochen werden muss oder bereits im Verkauf befindliche Produkte zurückgerufen werden müssen und Schadensersatz geleistet werden muss.
  • Patente bieten Verhandlungsmasse. Häufig verletzen Inhaber ihre Schutzrechte gegenseitig. Durch eigene Schutzrechte kann eine Verhandlungsposition aufgebaut werden, um geschützte Gegenstände oder Verfahren von anderen zu nutzen, beispielsweise durch eine Kreuzlizenz.
  • Patente können Lizenzeinnahmen generieren. Der geschützte Gegenstand kann an Lizenznehmer auslizensiert werden, die dafür eine Lizenzgebühr an den Inhaber zahlen.
 

Was passiert beim Patentamt?

Die initiale Patentanmeldung wird so abgefasst, dass sie die Erfindung möglichst umfassend schützt und Rückfallpositionen für das folgende Erteilungsverfahren bereitstellt. Dabei sollten nur die Informationen offenbart werden, die für die Erteilung notwendig sind.

Das Abfassen der Patentanmeldung ist besonders kritisch, da nach Eingang der Anmeldeunterlagen beim Patentamt Änderungen nur „im Umfang der Offenbarung“ in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen zulässig sind. Im Klartext: Werden beim Abfassen der Anmeldung Fehler gemacht, können diese nur sehr schwer bzw. gar nicht repariert werden. Es dürfen nach Einreichung keine Informationen hinzugefügt werden.

Nach Einreichung der Anmeldeunterlagen beim Patentamt prüft ein technisch vorgebildeter Prüfer, ob der zu schützende Gegenstand die Patentierungsvoraussetzungen erfüllt.
 

In der Regel wird eine Recherche durchgeführt, um den relevanten Stand der Technik zu ermitteln. Dazu wird in allen wesentlichen internationalen Patentliteraturdatenbanken (z. B. Espacenet), aber auch in der wissenschaftlichen Literatur oder auf gängigen Plattformen recherchiert.

Anmelder sollten dabei besonders darauf achten, die Erfindung nicht bereits vor Einreichen einer Patentanmeldung zu veröffentlichen, beispielsweise in Form von Werbung oder Präsentationen, denn auch diese Veröffentlichungen bilden Stand der Technik und können gefunden werden.

Im darauffolgenden Prüfungsverfahren teilt das Amt dem Anmelder In Form von sogenannten Prüfungsbescheiden mit, ob die Patentierungsvoraussetzungen erfüllt sind.

Falls die Patentierungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, wird dem Anmelder die Möglichkeit eingeräumt, darauf zu reagieren und „in den Grenzen der Offenbarung“ (siehe oben; bedeutet: es können keine neuen Informationen ergänzt werden) Änderungen einzureichen, um die Einwände zur Patentfähigkeit auszuräumen.

Konnten sämtliche Einwände ausgeräumt werden und wird der beanspruchte Gegenstand als patentfähig erachtet, wird ein Patent erteilt.

Patentierungsvoraussetzungen

Das deutsche Patentgesetz bzw. das europäische Patentübereinkommen geben eine Vielzahl von Voraussetzungen zur Patentierung eines Gegenstandes vor.

Grundsätzlich werden Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Allerdings werden bestimmte Gegenstände nicht als Erfindungen angesehen oder bestimmte Erfindungen werden explizit von der Patentfähigkeit ausgeschlossen.

Die einzelnen Voraussetzungen können als aufeinanderfolgende Hürden verstanden werden, wobei die gewerbliche Anwendbarkeit in der Praxis vernachlässigbar ist.

  • Technizität: Für neue Technologien ist häufig die Frage der Technizität relevant. So muss eine Erfindung einen technischen Charakter aufweisen. Beispielsweise wird Software als solche nicht als eine Erfindung auf einem Gebiet der Technik angesehen, sondern erst dann, wenn ein Zusammenhang mit einem technischen Gegenstand wie einem Computer vorliegt.
  • Neuheit und erfinderische Tätigkeit: Selbst wenn die Erfindung als solche technisch ist, muss sie darüber hinaus einen weiteren technischer Beitrag zum Stand der Technik liefern. D.h., der beanspruchte Gegenstand muss neu sein und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen. Neuheit und erfinderische Tätigkeit werden auf Basis des recherchierten Stands der Technik geprüft. So kann ein Gegenstand nur dann einen Beitrag zum Stand der Technik liefern, wenn zumindest Teile dieses Gegenstands nicht schon aus dem Stand der Technik bekannt sind. Dieser Beitrag darf sich auch nicht für einen Fachmann naheliegend aus dem Stand der Technik ergeben, d.h., er muss auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
  • Darstellung und Definition des Schutzbereiches: Darüber hinaus sind weitere Patentierungsvoraussetzungen vorgesehen, die den zu schützenden Gegenstand selbst, aber auch die Abfassung der Patentanmeldung betreffen. So muss unter anderem der Gegenstand in den Anmeldeunterlagen ausführbar dargestellt sein, der Schutzbereich muss ausreichend klar definiert und durch die Anmeldeunterlagen gestützt sein.

Geographische Abdeckung

Bis vor Kurzem waren Patente in Europa im Wesentlichen nationale Schutzrechte mit Wirkung für jeweils einen einzelnen Staat (bspw. Deutschland oder Frankreich). Seit dem ersten 1. Juni 2023 existiert zusätzlich das sogenannte Patent mit einheitlicher Wirkung, welches übergreifenden Schutz in derzeit 17 teilnehmenden Staaten der Europäischen Union bietet.   

Um Patentschutz in bestimmten Ländern zu erwirken, sind verschiedene Möglichkeiten vorgesehen:

  • Es gibt nationale Verfahren, bei denen vor dem nationalen Patentamt, beispielsweise dem deutschen Patent- und Markenamt, ein Patent für den jeweiligen Staat, in dem Fall Deutschland, erwirkt werden kann.
  • Europäischen Patentübereinkommen: Am gemeinsamen Europäischen Anmeldeverfahren nehmen 39 Staaten teil. Dabei prüft das Europäische Patentamt die Voraussetzungen für eine Europäische Patentanmeldung und erteilt ein Europäisches Patent. Nach Erteilung „zerfällt“ dieses Europäische Patent in ein Bündel nationaler Patente für ausgewählte Staaten.
    Vorteil: Mit einer Patentanmeldung und einem gemeinsamen Erteilungsverfahren können mehre nationale Patente erwirkt werden.
  • Europäisches Einheitspatent: Seit Juni 2023 besteht die Möglichkeit, für ein europäisches Patent anstelle eines Bündels nationaler Patente ein einzelnes Patent mit einheitlicher Wirkung für die teilnehmenden Vertragsstaaten zu beantragen. Während einer Übergangszeit von derzeit 7 Jahren haben Anmelder damit die Möglichkeit, auf Basis eines europäischen Patents entweder ein Bündel nationaler Patente oder das europäische Einheitspatent zu beantragen. Nach der Übergangszeit wird es grundsätzlich nur noch möglich sein, ein Patent mit einheitlicher Wirkung zu erlangen.
  • Ferner gibt es ein internationales Anmeldeverfahren mit Wirkung für insgesamt 157 Vertragsstaaten, das bei der World Intellectual Property Organization hinterlegt werden kann. Anders als bei dem nationalen oder europäischen Anmeldeverfahren durchläuft eine internationale Patentanmeldung kein oder nur ein für die Vertragsstaaten nicht-bindendes Prüfungsverfahren. Es zerfällt nach einer Übergangzeit von 30/31 Monaten in ausgewählte nationale Patentanmeldungen, die von den nationalen Patentämtern in ausgewählten Staaten separat geprüft werden. Dadurch kann mit einer Patenanmeldung weltweit Schutz für eine Erfindung erwirkt werden.

Gebrauchsmuster

In Deutschland gibt es neben dem Patentschutz zusätzlich den Gebrauchsmusterschutz. Umgangssprachlich wird ein Gebrauchsmuster häufig als „kleiner Bruder des Patents“ bezeichnet, da die Patentierungsvoraussetzungen eines Gebrauchsmusters nicht geprüft werden, die Laufzeit auf 10 Jahre beschränkt ist und keine Verfahren, wie beispielsweise Herstellungsverfahren, dem Gebrauchsmusterschutz zugängig sind.

Allerdings kann ein Gebrauchsmuster durchaus von Vorteil sein:

Die Ansprüche aus einem eingetragenen Gebrauchsmuster entsprechen im Wesentlichen den Ansprüchen aus einem Patent. Da ein Gebrauchsmuster kurzfristig ohne substantielle Prüfung eingetragen wird, bietet sich so die Möglichkeit, schnell einen durchsetzbaren Anspruch zu erlangen.

Der Stand der Technik im Gebrauchsmusterrecht unterscheidet sich vom Stand der Technik im Patentrecht und im Gebrauchsmusterrecht ist eine 6-monatige Neuheitsschonfrist für eigene Veröffentlichungen des Anmelders vorgesehen.

Diese Besonderheit bietet für Anmelder einen substantiellen Vorteil gegenüber dem Patentschutz. Häufig kommt es vor, dass Veröffentlichungen der Erfindung bereits vor Anmeldung eines Schutzrechts erfolgen. Für eine Patentanmeldungen gehören diese Veröffentlichungen zum Stand der Technik und stehen einer Erteilung entgegen. Im Gebrauchsmusterrecht sind diese Veröffentlichungen nicht zwangsläufig schädlich. Somit kann trotz bereits getätigter Vorveröffentlichungen trotzdem ein Schutzrecht erwirkt werden, wobei die Vorveröffentlichungen nicht berücksichtig werden.

Bei einer deutschen Patentanmeldung ist es möglich, ein Gebrauchsmuster abzuzweigen, wodurch die Vorteile des Patentschutzes und des Gebrauchsmusterschutzes kombiniert werden können.

Ein Gebrauchsmuster ist hinsichtlich der Amtsgebühren, aber auch mangels des Prüfungsverfahrens, in der Regel deutlich günstiger als ein deutsches oder ein europäisches Patent.

Das Gebrauchsmusterrecht bietet damit viele in der Praxis durchaus relevante Vorteile und sollte nicht unterschätzt werden.

Strategie 

Bevor eine Patentanmeldung ausgearbeitet und eingereicht wird, sollte sich der Anmelder bewusst sein, für welche Länder ein Produkt überhaupt relevant ist, welches Marktpotenzial ein Produkt hat und welche Zeitskalen relevant sind.

Unternehmen haben grundsätzlich den wirtschaftlichen Nutzen eines Patentschutzes gegen die Kosten abzuwägen, die für eine Vielzahl von Ländern mitunter sehr hoch ausfallen können. So braucht z. B. ein Produkt, das nur in Deutschland vermarktet wird, keinen internationalen Schutz.

Kosten fallen für die Ausarbeitung der Patentunterlagen (Anwaltskosten), für die Hinterlegung bei den jeweiligen Ämtern (bspw. Anmeldegebühr, Recherchegebühr), für Übersetzung, für die nationalen Prüfungen sowie für die Erhaltung der Schutzrechte (Jahresgebühren) und selbstverständlich auch ggf. für das Einklagen der Rechte an.

Eine Überlegung ist, zunächst ein deutsches Gebrauchsmuster oder ein deutsches Patent zu hinterlegen. Dadurch wird ein früher Anmeldetag gesichert. Dabei sind die Kosten für ein deutsches Gebrauchsmuster bzw. ein deutsche Patentanmeldung vergleichsweise gering.

Nach Ablauf eines Jahres ab dem Anmeldetag bietet sich dann die Möglichkeit, eine „Nachanmeldung“ einzureichen, welche den Zeitrang der ersten deutschen Anmeldung in Anspruch nimmt (sog. Prioritätsrecht). Die Nachanmeldung kann eine europäische oder internationale Patentanmeldung sein. Dadurch kann sich ein Anmelder zunächst einen frühen und damit wertvollen Anmeldetag sichern und erst danach entscheiden, ob eine Patentanmeldung in weiteren Ländern wirtschaftlich sinnvoll ist.

In der Reihe „Vitamin C“ spricht Conny Gärtner mit Unternehmerinnen und Unternehmern, die Experten in ihrem Gebiet sind. Deren Erfahrung und Wissen unterstützen uns dabei, unseren Job als Chefin oder Chef leichter zu machen.

Wir wünschen Ihnen viele gute – und gut geschützte – Produkte, Weiterentwicklungen, Neuerungen
und viele kreative Ideen! 

Conny Gärtner
BVMW FrankfurtRheinMain
 
Dr. Lennart-Knud Liefeith
BOEHMERT & BOEHMERT Anwaltspartnerschaft mbB