Werksbesichtigung bei Diehl Aerospace in Frankfurt am Main und fachlicher Austausch zur KI-Anwendung in der Industrie
Hinter den Kulissen von Diehl Aerospace
Diehl Aviation ist mit seinen 4.400 Mitarbeitern ein Teilkonzern der größeren Diehl Gruppe. Die Frankfurter Diehl Beschäftigten produzieren hier auf etwa 3,5 Tsd. Quadratmetern die Aviation-Produktpalette. Die bietet tatsächlich alles „von der Nase bis zum Bürzel“ eines Flugzeugs: Fensterjalousien, Beleuchtungssysteme, Seitenwände mit Stauräumen, Gepäckfächer, vom Boden zur Decke, Küche, Wasser-Management, Sanitäre Anlagen, Safety of Flight Condition und und und.
Conny Gärtner begrüßt ihre kleine handverlesene BVMW-Besuchergruppe und sorgt dafür, dass die ersten neuen Netzwerke sichtbar werden. Der langjährige Mitarbeiter Ralf Küstner macht mit einem sehr speziellen Präsentations-Board sichtbar, was die Diehl Manufaktur in Frankfurt herstellt und stimmt auf die Betriebsführung ein.
Wussten Sie, dass sich nur beim A380 die Flugzeugtüren per Knopfdruck öffnen und schließen lassen? Und dass diese Technik in Frankfurt bei Diehl entwickelt wurde? Alle anderen Flugzeugtüren betätigen die Crews mechanisch.
Tja, Türen sind nun einmal ein hoch sicherheitsrelevantes Flugzeugteil. So liegt es nahe, dass auch die Besucher vor dem Eintritt in die Produktion eine – zugegeben ungewöhnliche – Sicherheitshürde zu nehmen haben.
Vor Eintritt erst mal entladen
Bevor die BVMW-Teilnehmer die Produktion betreten dürfen, rüsten sie sich mit ESD-Komponenten aus. Das heißt, sie entladen sich mit drahtdurchwebten Kitteln zum Überziehen und Aufklebern für die Schuhsohlen. Denn würde sich ein Mensch in dieser Hightech-Produktion entladen, kann seine elektrostatische Ladung dort wie ein Blitz auf einen Baum wirken und erhebliche Schäden anrichten.
Wenig, dafür aber sehr lange
Wir treten in eine Manufaktur ein, deren Geräte auf den ersten Blick etwas in die Jahre gekommen wirken. Und das hat einen guten Grund. Schließlich produziert Diehl Aerospace hier teilweise Einzelstücke bis hin zu Stückzahlen von wenigen Tausend Exemplaren, und zwar in allen Stufen der Fertigungstiefe. Die größte Herausforderung sind hier die kleinen Stückzahlen bei einer gleichzeitig sehr langen Laufzeit. Viele Komponenten werden hier seit mehr als 25 Jahren identisch produziert.
Warum ist das so? Nun, Innovationstreiber sind diejenigen, die Flugzeuge bauen. Für einen neuen Flugzeugtyp müssen sie Milliarden investieren. Also schon klar, warum sie das eher selten angehen. Zuletzt hat der A380 einen Innovationsschub ausgelöst. Und da waren die Mitarbeiter von Diehl Aerospace voll dabei, denn Sie haben beim A380 fast alles gemacht.
Auf Nachfrage finden sie es natürlich schon schade, dass die Fluggäste mit ihren Devices modernere Technik nutzen als die Flugzeuge, mit denen sie unterwegs sind. Aber dafür müssen die Leiterplatten in deren Handys auch nicht dreifach redundant ausgestattet werden, wie das in der Flugzeugtechnik nicht selten gefordert ist. Unstimmigkeiten, die wir einem Smartphone leicht verzeihen, müssen in einem Flieger in der Luft unbedingt vermieden werden. Hinzu kommt, dass es alles andere als banal ist, den Komponenten jeweils eindeutig klar zu machen, ob sie ihren Job gerade im Hangar, in der Luft oder während eines Loopings erledigen. Schließlich wirken dazu jeweils ganz unterschiedliche Kräfte auf sie ein.
Test – Test – Test: In der Badewanne?
Bei Diehl Aviation testen sie sehr viel. Eine häufig gestellte Frage ist: Sprechen die Systeme miteinander? Tun sie das bei normaler Raumtemperatur, ist das nur der Anfang. Dann wandern sie in den Keller in die Klimakammer. Dort wird auch bei Temperaturen von -70 °C bis + 80 °C noch einmal durchgeprüft, ob alles funktioniert. Aber warum sprechen sie dabei immer wieder von der Badewannenkurve?
Na, weil das bei technischen Geräten ein gängiger Betriff ist. Die Badewannenkurve beschreibt die Zuverlässigkeit von Technik im Zeitverlauf. Überträgt man die Ausfallrate von technischen Systemen während ihres Produktlebenszyklus in ein Koordinatensystem, kommt eine Kurve heraus, die wie eine Badewanne aussieht: Fehlerhafte Geräte fallen meist direkt zu Beginn des Betriebs aus. Im Normalbetrieb gibt es nur gelegentlich Ausfälle. Werden sie Systeme älter, häufen sich die Fehler aufgrund von Alterung und Verschleißerscheinungen wieder.
KI: Mögliche Szenarien und Anwendungsgebiete in der Industrie
Für den zweite Teil des Abends trafen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Besprechungsraum. Hier hatte Diehl Aerospace ein reichhaltiges Büfett aufgefahren, das keine kulinarischen Wünsche offenließ. Das Diehl-Team bot also die Einstimmung für einen angeregten Austausch.
Was macht Diehl bzw. Diehl Aerospace mit KI?
Sie haben zwar schon ein Forschungsprojekt zur Qualitätskontrolle von Bauteilen durchgeführt. Insgesamt steht Diehl Aerospace mit der KI-Umsetzung noch am Anfang. Kai Burkhardt, Leiter Strategie bei Diehl Aerospace, beschreibt in seinem Impulsvortrag eine grundsätzliche Offenheit für das Thema. Aktuell sei man dabei, die Use-Case-Entwicklung zu strukturieren und die konkrete Umsetzung zu planen. Die Luftfahrt wächst und neue Geschäftsfelder entstehen. Diehl Aerospace will wachsen, ohne zu wachsen, also die Produktivität ggf. auch mit Hilfe von KI steigern. Das Unternehmen sucht aktiv nach Anwendungsfällen, die einen Nutzen stiften. Die sieht es grundsätzlich bei …
- der Anwendung in Produkten selbst und in der Produktentwicklung
- (vorhandenen) Daten, die zur Prozessverbesserung genutzt werden können
- der Anwendungen am Arbeitsplatzrechner, z. B. dort, wo noch Daten manuell von einem ins andere System übertragen werden.
Das größte Problem bei der Schulung von Large Language Modellen (LLM) ist es, den Datenschutz der Trainingsdaten zu gewährleisten. Denn die KI-Entwicklung darf nicht aus Datenschutzgründen nur auf Eigenmodelle beschränkt bleiben. Dadurch würde man sich selbst zu stark ausbremsen. Erfreulicherweise gibt zahlreiche Open Source LLM, die man auf eigenen Servern ohne Verbindung zum Internet nutzen kann.
Ein ganz wichtiges Thema sei es, die Menschen im Unternehmen mitzunehmen und das KI-Thema gut zu kommunizieren. So hat Diehl bereits eine Konzern-KI-Richtlinie, die Mitarbeitende dazu anregt, nach Anwendungsfällen zu suchen. Im Vertragsmanagement wurden sie bereits fündig.
Im weiteren Verlauf des Abends tauscht sich die Gruppe darüber aus, wer mit welchen Anwendungsfälle gestartet ist bzw. welche Projekte geplant sind. Die angeregte Diskussion diente dem gegenseitigen Austausch und sie bot zahlreiche Anregungen und Anknüpfungspunkte für künftige Treffen.
„Überall ploppen Themen und Lösungsansätze auf. Wir sind eine bunt gemischte Truppe und haben trotzdem dieselben Themen“, bringt es einer der Teilnehmer auf den Punkt.
Kontakt
Cornelia Gärtner
Der Mittelstand, BVMW e.V.
Geschäftsstelle FrankfurtRheinMain / Leiterin der Wirtschaftsregion Rhein-Main
cornelia.gaertner@bvmw.de
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